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Bus und Bahn: Aus Sicherheitsgründen lieber sitzen statt stehen
Stürzt ein Fahrgast im Bus bei einer Vollbremsung, kann er von dem Verkehrsteilnehmer, dessen Handeln dazu geführt hat, dass gebremst wurde, kein Schmerzensgeld fordern, wenn er selbst durch eine mögliche Sturzsicherung seine Verletzungen hätte verhindern können. Dies verdeutlicht eine Gerichtentscheidung des Amtsgerichts München.
Ein Bus fuhr auf einer Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein Auto kurz vor ihm auf dieselbe Abbiegespur wechselte. Der Busfahrer musste eine Vollbremsung durchführen, wodurch ein 76-jähriger Fahrgast stürzte.
Der Mann erlitt Prellungen im Bereich der Brustwirbelsäule und des Beckens. Außerdem wurde sein Daumensattelgelenk überdehnt. Seine Schmerzen dauerten vier Wochen an und auch danach war er nicht beschwerdefrei.
Schließlich verklagte der Verunglückte den Fahrer des überholenden Pkws sowie dessen Kfz-Versicherer auf Zahlung von 2.000 Euro Schmerzensgeld sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Amtsgericht München (Urteil vom 18. Oktober 2024, 338 c 15281/24) wies seine Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme jedoch ab.
Fahrgast trifft vollständiges Mitverschulden
Die Richter gehen zwar davon aus, dass die Fahrweise des Autofahrers zum Sturz des Seniors geführt hat. Zudem hat jener aus ihrer Sicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen, da er beim Spurwechsel seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Allerdings schließt das Amtsgericht eine Haftung aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers aus.„[Jeder] Fahrgast [ist] verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen, vergleiche § 14 Absatz 3 Nummer 4 BOKraft (Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr). Die Vorschrift dient dem Schutz der Fahrgäste. Sie will sie insbesondere davor bewahren, dass sie bei Gefahrenbremsungen zu Fall kommen und sich verletzen“, heißt es im Urteil.
Stabilisierung mit einer Hand kein fester Halt
Die vom 76-Jährigen eingenommene stehende Position sei nicht geeignet gewesen, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein. Das Video der Bus-Innenkamera zeige, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festgehalten und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley geruht habe.„Die Stabilisierung mit der linken Hand ist zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley bietet keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen ist. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ“, so die Richter.
Kein anderer Fahrgast war laut Urteilsbegründung im Rahmen der Vollbremsung gestürzt. Vielmehr zeigten die Videoaufnahmen beispielsweise eine ältere Dame auf einem der Sitzplätze direkt hinter dem Senior, die sich an der dortigen Stange festgehalten habe, so dass sie, im Gegensatz zu ihrer Tasche, nicht von ihrem Sitz gerutscht sei.
Vollbremsung kam laut Richter nicht völlig überraschend
„So ist dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen ist, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete“, heißt es im Text. Direkt hinter dem Kläger sei beispielsweise ein Sitzplatz mit Haltestange zum Festhalten frei gewesen.„Es handelt sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden muss. Hinzu kommt, dass der Bus unstreitig bereits circa 50 Meter vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ungenügenden Halt verschaffte“, urteilen die Richter.