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Gesetzliche Unfallversicherung unterscheidet „Umweg“ und „Abweg“
Eine Frau hatte ihr Kind zu einem Sammelpunkt begleitet, von dem es sich mit einer Gruppe von Mitschülern für den restlichen Weg zur Grundschule trifft. Auf dem Rückweg erlitt die Mutter einen Unfall. Dabei stand sie nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, weil sich der Sammelpunkt nicht auf dem direkten Weg zwischen der Wohnung der Beschäftigten und ihrer Arbeitsstätte befand. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil (L 10 U 3232/21).
Eine Mutter begleitete vor Beginn ihrer Arbeit ihre Tochter aus Sicherheitsgründen zu einem Sammelpunkt. Von dem aus begab sich das Kind mit einer Gruppe von Mitschülerinnen und Mitschülern auf den restlichen Weg zur Grundschule.
Kein Wegeunfall in entgegengesetzter Richtung zur Arbeit
Dieser Sammelpunkt lag in entgegengesetzter Richtung zur Arbeitsstätte der Frau. Noch bevor sie den direkten Weg zwischen ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsplatz erreicht hatte, erlitt sie beim Überqueren einer Straße einen schweren Unfall. Wegen dessen Folgen beanspruchte sie Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.Mit dem Argument, dass sich der Unfall außerhalb des direkten Weges zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstätte ereignet habe, lehnte es die Berufsgenossenschaft – ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung – ab, das Unglück als versicherten Wegeunfall anzuerkennen.
Zu Recht, befand das in zweiter Instanz mit dem Fall befasste Landessozialgericht Baden-Württemberg. Anders als zuvor das Stuttgarter Sozialgericht wies es die Klage der Frau gegen den gesetzlichen Unfallversicherer als unbegründet zurück.
Eigenwirtschaftliche Gründe sind nicht gesetzlich unfallversichert
Bewege sich ein gesetzlich Unfallversicherter wie die Mutter auf dem Weg zur Arbeit nicht auf einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem fort, handele es sich nicht um einen bloßen Umweg, sondern um einen Abweg. Das gelte zumindest dann, wenn der direkte Weg mehr als nur geringfügig unterbrochen oder verlassen werde. In derartigen Fällen ständen nicht versicherte eigenwirtschaftliche und keine betrieblichen Gründe im Vordergrund.Die Klägerin habe ihre Tochter zu dem Sammelpunkt nicht begleitet, um ihrer Beschäftigung nachzugehen. Der Begleitung hätten vielmehr ausschließlich allgemeine Sicherheitserwägungen zum Schutz des Kindes zugrunde gelegen. Damit fehle es an einem „sachlich-inhaltlichen kausalen Zusammenhang“ zwischen der Beschäftigung der Klägerin und dem Begleiten ihrer Tochter.
Die Versicherte habe das Mädchen an dem Sammelpunkt auch nicht in fremde Obhut übergeben. Denn dann hätte sie im Sinne von § 8 Absatz 2 Nr. 2a SGB VII (Siebtes Sozialgesetzbuch) gegebenenfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.
Lückenhafter gesetzlicher Unfallschutz
Der Fall zeigt, viele Tätigkeiten, selbst wenn sie im Rahmen eines Arbeitsweges oder auch während der Berufsausübung erfolgen, können dazu führen, dass ein Unfall nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Für Freizeitunfälle besteht normalerweise grundsätzlich kein gesetzlicher Unfallschutz.Doch selbst wenn man Leistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung erhält, reichen diese oft nicht, um die finanziellen Mehrbelastungen und Einkommensausfälle, die ein Unfall mit sich bringen kann, auszugleichen.
Die private Versicherungswirtschaft bietet jedoch diverse Lösungen, um sowohl einen fehlenden gesetzlichen Versicherungsschutz als auch die eventuell durch Unfall oder Krankheit auftretenden Einkommenslücken abzusichern. Zu nennen sind hier unter anderem eine private Unfall-, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsversicherung.