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Nicht immer haben Busse an Haltestellen Vorrang
Der Fahrer eines Linienbusses konnte nicht nachweisen, dass er bei der Abfahrt von einer Haltestelle den Blinker eingeschaltet hatte. In diesem Fall ist er für einen Unfall mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs überwiegend alleine verantwortlich. Das hat das Oberlandesgericht Celle mit einem Urteil entschieden (Az.: 14 U 96/21).
Fährt ein Linienbus von einer Haltestelle ab, so müssen Fahrzeuge auf der Fahrbahn gemäß Paragraf 20 Absatz 5 StVO (Straßenverkehrsordnung) nötigenfalls warten. Diese Regelung galt auch für einen Autofahrer, der mit seinem Pkw an einem Bus vorbeifahren wollte, welcher an einer Haltestelle stand und genau in diesem Augenblick losfuhr. Daher kollidierten beide Fahrzeuge.
Der Autofahrer behauptete, dass ausschließlich der Fahrer des Busses für den Unfall verantwortlich sei. Denn dieser habe seinen Blinker nicht gesetzt und damit seine Absicht, auf die Fahrbahn einzufahren, nicht kundgetan. Daher verklagte der Halter des Pkw das Busunternehmen auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens in Höhe von gut 10.000 Euro, das die Kfz-Haftpflichtversicherung des Busses zu zahlen hätte. Mit Erfolg. Das Celler Oberlandesgericht gab der Forderung des Mannes weitgehend statt.
Eine Frage des Beweises
Nach Ansicht der Richter genießen die Fahrer von Linienbussen bei der Abfahrt von einer Haltestelle anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber zwar Vorrang. Um von diesem Privileg Gebrauch machen zu können, müsse ein Busfahrer aber rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger einschalten und sich vor Abfahrt vergewissern, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht stark bremsen müssen.Der Busfahrer hatte zwar behauptet, den Blinker rechtzeitig gesetzt zu haben. Beweisen konnte er das jedoch nicht.
Da nach Meinung des Gerichts im Sinne von Paragraf 10 Satz 1 StVO aber grundsätzlich ein Verschulden des Fahrers zu vermuten ist, der vom Fahrbahnrand auf die Fahrbahn einfährt, sei überwiegend er für den Unfall verantwortlich. Hinzu kommt, dass er diese Vermutung nicht entkräften konnte.
Haftung aus Betriebsgefahr
An Haltestellen stehenden Bussen dürfe zwar gemäß Paragraf 20 Absatz 2 StVO nur vorsichtig vorbeigefahren werden. Der Kläger habe sich jedoch ausweislich eines Gutachtens allenfalls mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern der Haltestelle genähert. Er hafte daher ausschließlich aus der Betriebsgefahr seines Autos. Diese bewerteten die Richter mit 25 Prozent.Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat das Gericht eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Denn das Kammergericht Berlin habe in zwei vergleichbaren Fällen entschieden, dass nicht der Busfahrer beweisen müsse, rechtzeitig geblinkt zu haben.
Es sei vielmehr Sache jenes Verkehrsteilnehmers, mit welchem es zu einer Kollision gekommen sei, das Gegenteil zu beweisen. Sollte der Fall beim Bundesgerichtshof landen, bleibt abzuwarten, wie dieser entscheiden wird.
Wenn die Schuldfrage strittig ist
Wie die Rechtsprechung bei der beschriebenen Unfallart zeigt, ist die Schuldfrage nicht immer eindeutig. Wer nach einem Unfall der Ansicht ist, dass ein anderer für den entstandenen Unfallschaden haften muss, dem kann eine bestehende Verkehrsrechtsschutz-Police weiterhelfen. Denn eine solche Police übernimmt, wenn der Versicherer eine Leistungszusage gibt, die Kosten für die Geltendmachung der eigenen Schadenersatzansprüche beim Unfallgegner per Anwalt und wenn nötig auch vor Gericht.Doch auch wer als Unfallbeteiligter die Reparaturkosten seines Autos bei einem Mitverschulden oder einer alleinigen Haftung nur teilweise oder gar nicht bezahlt bekommt, muss nicht auf diesen Kosten sitzen bleiben. Eine bestehende Vollkaskoversicherung leistet nämlich unter anderem für fahrlässig verursachte Unfallschäden am Fahrzeug, für die der Pkw-Halter ganz oder teilweise selbst aufkommen muss.
Allerdings kommt es dann auch zu einer Höherstufung des Schadenfreiheitsrabatts in der Vollkasko-Police. Je nach Schadenhöhe kann es sinnvoll sein, beim Kfz-Versicherer nachzufragen, ob es langfristig gesehen besser ist, den Schaden aus der eigenen Tasche zu zahlen oder über die Vollkaskoversicherung abzurechnen.