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Wann die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ nicht gilt

Ein Verkehrsteilnehmer, der im Bereich einer abgesenkten Bordsteinkante abbiegen will, kann sich nicht auf die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ berufen. Das hat das Amtsgericht Lübeck mit einem Urteil entschieden (17 O 158/22).

Ein Mann hatte mit seinem Pkw eine Einbahnstraße befahren, in der sowohl rechts als auch links geparkt werden durfte. An der rechten Seite der Straße befand sich außerdem ein großes „Park and Ride“-Parkplatzgelände. Zu diesem gibt es im oberen Teil der Einbahnstraße eine Zufahrt, die gleichzeitig auch als Ausfahrt genutzt wird.

Aus Letzterer fuhr eine Frau mit ihrem Pkw, um vorschriftsmäßig nach rechts abzubiegen. Dabei kam es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge.

Vorfahrtsregel „rechts vor links“ anzuwenden?

Die Vorfahrt war in dem Bereich nicht durch Schilder geregelt. Daher ging die Frau davon aus, dass sie gegenüber dem Mann Vorfahrt hatte. Denn es sei die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ anzuwenden.

Das wurde von dem Unfallgegner bestritten und er verklagte die Frau auf Schadenersatz. Die Autofahrerin sei mit ihrem Kfz nämlich aus einer Grundstückseinfahrt gekommen. Für die gelte die „rechts vor links Regel“ nicht.

Ausfahrt von dem Parkplatzgelände ist eine Grundstücksausfahrt

Dieser Argumentation schloss sich das Lübecker Amtsgericht an. Es gab der Schadenersatzklage des Klägers in vollem Umfang statt.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Beklagte gegen § 10 StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen, als sie, ohne auf das gegnerische Fahrzeug zu achten, nach rechts abbog. Denn bei der Ausfahrt von dem Parkplatzgelände habe es sich zweifelsohne um eine Grundstücksausfahrt gehandelt.

Die Regel mit der abgesenkten Bordsteinkante

Zwar könne man unterstellen, dass dies nicht der Fall gewesen war und es sich, wie von der Frau behauptet, bei der vom Kläger befahrenen Straße um einen Teil des einheitlichen P+R-Geländes gehandelt habe. Doch selbst dann habe die Beklagte den Unfall allein verschuldet.

Sie sei mit ihrem Fahrzeug zwar unstreitig von rechts gekommen. Um auf die von dem Kläger befahrene Fahrbahn abbiegen zu können, habe sie aber eine abgesenkte Bordsteinkante überfahren müssen. Die habe die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ im Sinne von § 10 StVO aufgehoben.

Das Kölner Landgericht war im Mai 2020 in einem vergleichbaren Fall zu der gleichen Einschätzung gelangt, wie jetzt das Amtsgericht Lübeck.